THE POET’S COAT – DER MANTEL DER DICHTERIN

NM im Kult-Bau

>>> Donnerstag, 25. April 2019, 20.00 Uhr

THE POET’S COAT – DER MANTEL DER DICHTERIN

Gabrielle Alioths liest ihre englischen Gedichte zusammen mit dem Übersetzer Fred Kurer. Moderation: Florian Vetsch

(Eintritt frei, Kollekte)

Die Schweizer Autorin Gabrielle Alioth, seit 35 Jahren in Irland wohnhaft, kommt in den Kult-Bau und stellt ein bislang unbekanntes Gebiet ihres Schaffens vor: ihre englischen Gedichte. Sie wird begleitet von Fred Kurer, der ihre Texte träf ins Deutsche gebracht hat. Gabrielle Alioth und Fred Kurer präsentieren an dem Abend, der zugleich eine Buchvernissage ist, den frisch im Waldgut Verlag zu Frauenfeld erschienenen Lyrikband „The Poet’s Coat – Der Mantel der Dichterin“. Dem Band entsprechend, wird die Lesung zweisprachig sein. Die Autorin und ihr Übersetzer stehen an dem Abend auch für Fragen und ein Gespräch zur Verfügung.

Gabrielle Alioth
Gabrielle Alioth, geboren 1955 in Basel, war als Konjunkturforscherin und Übersetzerin tätig, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. 1990 publizierte sie ihren ersten, preisgekrönten Roman Der Narr. Es folgten zahlreiche weitere Romane, Kurzgeschichten, Essays sowie mehrere Reisebücher und Theaterstücke. Daneben ist sie journalistisch tätig und unterrichtet an der Hochschule Luzern. Seit 1984 lebt Gabrielle Alioth in Irland. www.gabriellealioth.com

Fred Kurer
Fred Kurer wurde 1936 im Toggenburg geboren, studierte in Zürich, Wien und London und arbeitete nach seiner Promotion als Leiter der Kellerbühne St.Gallen. Er war Lehrer an diversen Schulen für Deutsch, Englisch und Theater. Er ist Autor verschiedener Programme für Kleinbühnen, Kabarett, Radio und Fernsehen. Sein letzter Gedichtband „ich möchte nicht nur vogel sein“ erschien 2018 im Waldgut-Verlag, Frauenfeld.

The Woman
I am the woman
Running through the wooded
Twilight of your dreams.
I am the one you see
From a moving train

Licking an ice cream cone at a village station.
I am the one you picture
In the bed of your rivals
And one day you will follow me
When we meet
In the moonlit night
Of a foreign town.

I have the silken hair
Your touch will
Turn into snakes.
I have the smiling lips
whose kiss will make you
burn.

I am the woman
You long for when
You leave the embrace
of your faithful wife,
And the one you hope
Your sons will never meet.

Die Frau
Ich bin die Frau, die
durch das waldige Zwielicht
deiner Träume rennt.
Ich bin die Frau, die du
aus dem fahrenden Zug am Dorfbahnhof siehst,
ein Eis am Stiel schleckend.

Ich bin die Frau, die du dir ausmalst
im Bett deiner Rivalen.
Und eines Tages, wenn wir uns begegnen,
wirst du mir folgen
in die Mondnacht
einer fremden Stadt.

Ich habe das Seidenhaar,
das, wenn du es berührst,
zu Schlangen wird.
Ich habe die lächelnden Lippen,
deren Kuss dich
brennen lässt.

Ich bin die Frau,
nach der du dich sehnst,
wenn du der Umarmung
deiner treuen Gattin entkommst,
und bin die, so hoffst du,
die deinen Söhnen nie begegnet.

Chestnuts
In the orange days of childhood autumns
I wished for a chestnut tree all to myself,
so I might collect the cores
peeled from their shells,
to build a world,
with horses, birds – knights
a happy ever after.

On summer nights
I wished for the white blossoms
to shimmer in the dark
of passing gardens,
and that they would follow me
into my dreams
like captured stars.

Under the pale spring sky
I wish for the branches
to bud again, spreading their leaves
over the river.
And that I may be forgiven
for the stars I lost
the knights I dismissed
and the worlds I destroyed.

Kastanien
In orangefarbenen Herbsttagen meiner Kindheit
wünschte ich mir einen Kastanienbaum ganz für mich allein,
da würde ich aus Kastanien, befreit von stacheligen Schalen,
eine Welt bauen
mit Pferden, Vögeln – Rittern
und Glück zuhauf.

In Sommernächten
wünschte ich mir weiße Blüten,
die würden schimmern in den Gärten,
an denen ich vorbeiging,
und die sollten mir folgen,
gefangenen Sternen gleich,
bis hinein in meine Träume.

Unter dem bleichen Frühlingshimmel
wünsche ich mir von den Knospen an den Ästen, dass sie
wieder sprießen und ihre Blätter breiten
über den Fluss.
Und dass mir vergeben werde
für die Sterne, die ich verloren,
die Ritter, die ich entlassen habe,
und die Welten, die ich zerstörte.

aus Gabrielle Alioth: The Poet’s Coat / Der Mantel der Dichterin (aus dem Englischen von Fred Kurer). Waldgut. Frauenfeld 2019

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