Hans Georg Bulla: „Um Haus und Hof“

NM im Kult-Bau

>>> Dienstag, 8. Mai 2018, 20.00 Uhr

Hans Georg Bulla: „Um Haus und Hof“

Lesung und Gespräch mit dem Autor und Herausgeber Hans Georg Bulla. Moderation: Clemens Umbricht

(Eintritt frei, Kollekte)

Seit Mitte der 70er Jahre veröffentlicht Hans Georg Bulla Gedichte, Erzählungen und Hörstücke und wurde dafür mit verschiedenen renommierten Preisen (u.a. Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis, Kurt-Morawietz-Literaturpreis) ausgezeichnet. Als Lektor und Herausgeber deutschsprachiger Bücher des niederländischen Verlegers Eric van der Wal (Bergen NL) hat er in gut dreissig Jahren mit feinem Gespür mehr als 120 Titel herausgegeben, darunter zahlreiche Debüts und Texte von bekannten Autorinnen und Autoren wie etwa Maria Beig, Hugo Dittberner, Walter Helmut Fritz und Hermann Kinder. Seit über zwanzig Jahren arbeitet er mit dem Künstler Peter Marggraf  zusammen und gibt in dessen San Marco Handpresse Prosa und Lyrik gegenwärtiger Autoren und Autorinnen heraus, als bibliophile Einzelveröffentlichungen oder auch in der Reihe “i libri bianchi“. In der Edition der „weissen Bücher“ erscheinen klassische Werke der Literatur, etwa von Rilke, Trakl, Heine oder Baudelaire, aber auch Bücher zeitgenössischer Autoren – und das in exquisiter Aufmachung: von Hand gebunden (fadengeheftet), numeriert und vom Autor und/oder Büchermacher signiert. Unermüdlich tätig ist Bulla ferner als Literaturvermittler, als Leiter von Literaturwerkstätten und als Juror. Der 1949 in Dülmen, Westfalen, geborene Autor studierte und arbeitete an der Universität Konstanz und lebte lange in Allensbach am Bodensee; heute ist er in Wedemark bei Hannover wohnhaft.

Zuletzt sind von Hans Georg Bulla in der San Marco Handpresse die Gedichtbände „Um Haus und Hof“ (2014), „Wie an jedem Tag“ (2016) und der Prosaband „In bester Gesellschaft“ (2017) erschienen. Ausgewählte Gedichte und Notate liegen im Band „Wechselgetriebe“ (Aisthesis Verlag, 2011) vor. Dieses Buch versammelt Bullas lyrisches Werk aus über dreissig Jahren und lädt ideal zum Kennenlernen des Autors ein, der sein Credo einmal so formuliert hat: „Ohne die überzeugende Handhabung der Kunstmittel bleibt jede Botschaft nur gut gemeint“ („die horen, Heft 4, 1992). Zu den zentralen Themen Bullas gehören Kindheitserinnerungen sowie die Erfahrung von Liebe, Trennung und Krankheit. Insbesondere mit seinen drei bei Suhrkamp erschienen Lyrikbänden „Weitergehen“ (1980), „Der Schwimmer“ (1982) und „Kindheit und Kreide“ (1986) wurde er nach Erscheinen der sogenannten „Neuen Subjektivität“ zugerechnet. Unter diesem Begriff fasste Marcel Reich-Ranicki in den 1970er-Jahren die Gegenbewegung zur politisch engagierten und gesellschaftskritischen Literatur der 68er-Generation zusammen. Zu ihren Merkmalen gehören, neben einem anderen Politikbegriff, der Mut zu Innerlichkeit, Introspektion und Selbsterfahrung sowie oft die Verwendung der Alltagssprache. Johann P. Tammen, der langjährige Herausgeber der Literaturzeitschrift „die horen“, schreibt über Hans Georg Bullas Gedichte:

„Bullas Augen-Mass für die kleinen Alltagsdinge ist präzis wägend und bergend. Er stapelt nicht hoch, sondern sorgt für grösstmögliche Anschaulichkeit. Und: Vor uns aufgebaut, von ihm abgetastet, ausgelotet, gewendet und durchdrungen, erscheinen die Dinge mehrdimensional, vielsagender und mit neuer Kraft sprechend aufgeladen.“

    

Auf dem Weg

Die Glühbirne herausgedreht,
das Fenster geschlossen,
draussen die letzte Münze
in den Brunnen geworfen.

Wir werden die Strasse nehmen,
die sie hier zur Erinnerung haben,
wir werden nicht trödeln, nicht eilen.
Werden den Stimmen noch zuhören,
den Reden, alle Fremden höflich grüssen.

Nicht älter, nicht jünger, wir werden uns
irren, wir glauben, wir gehören zu wem.
Wer weiss, ob wir durchkommen werden.

Du drehst dich um nach mir, wie weit ist es,
von Augenpaar zu Augenpaar,
ich hebe die Hand, weiter,
wir gehen weiter.

Am See

Dass es einen Grund
gibt für alles, weiss ich.
Ich kenne ihn nicht.
Sie räumen pünktlich die
Tische ab, während wir
bleiben wollen, nicht
satt, nicht hungrig.
Das alte Radio holt
mich näher an den Sänger,
aber kein Lied macht uns
tanzen. Es gibt einen
Grund für das Wasser
in den Augen, den weiss ich.

Notiz, Bodanrück

Leichtes Einverständnis mit diesem
Stück ruhiger Landschaft. Aber wem
hilft das weiter, ein menschenloser
Augenblick, eine zur Seite gerückte
Geschichte, ein Leben ohne Angesicht
des Todes. Wie es sein kann, ist es
nicht.

Ein Blinder in der Sonne

Ich bringe nicht viel mit,
ich höre zu, ich werde singen,
ein Ja wie ein Glas Wasser

Mit diesem Geschmack
auf der Zunge will ich
enden

Weitere Informationen:
Hans Georg Bulla auf Wikipedia
Webseite Peter Marggraf – San Marco Handpresse
Webseite Eric van der Wal
Radio SRF 2 Kultur: Hans Georg Bulla – Lyrik am Mittag

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Fotos: Ursula Schmitz